Untersuchung rechtlicher Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen zeigt neue Perspektiven für die Vermarktung grüner Fernwärme auf.
Die zweite Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) fordert, den Anwendungsbereich von Herkunftsnachweisen (HKN) auf Wärme und Kälte sowie Gase, einschließlich Wasserstoff, aus erneuerbaren Energiequellen auszuweiten. Dazu müssen die EU-Mitgliedstaaten transparente Nachweissysteme aufsetzen, um die Energieeigenschaften von der Erzeugung bis zum Verbrauch nachverfolgbar zu machen. Dies eröffnet auch Perspektiven für die rechtssichere Vermarktung grüner Fernwärme.
Warum nicht auf das etablierte Instrument aus dem Strommarkt zurückgreifen, mag sich manche:r fragen. So einfach ist es nicht: Aufgrund seiner spezifischen Anforderungen sowie wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen benötigt der Wärmemarkt ein eigenes System. Wie ein solches HKN-System für Wärme und Kälte auch unter rechtlichen Aspekten ausgestaltet sein muss, ist eine der Kernfragen des seit 2020 laufenden Forschungsprojekts „Grüne Fernwärme“. Es ist Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Energiewende-Reallabors „IW3 – Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg“.
Pilotregister für grüne Fernwärme
Im Verlauf des Projekts hat das Hamburg Institut – in Zusammenarbeit mit Grexel für die technische Entwicklung – ein Herkunftsnachweisregister (HKNR) für grüne Fernwärme als Pilotprojekt für Deutschland umgesetzt und damit verbundene Fragen zum Registerdesign analysiert. Das Register befindet sich derzeit im Pilotbetrieb und steht nach dem erfolgreichen Auftakt mit den Hamburger Energiewerken weiteren interessierten Wärmeversorgern offen. Durch die Teilnahme am IW3-Pilotregister können Versorger frühzeitig Erfahrungen mit Wärme-HKN und ihrem Einsatz für die Produktentwicklung und Vermarktung grüner Fernwärme sammeln. Darüber hinaus wird die begleitende Auswertung des Registerbetriebs genutzt, um Empfehlungen für die nationale Umsetzung von Wärme- und Kälte-HKN abzuleiten.
Analyse der wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen
Der nun veröffentlichte Projektbericht stellt die europäischen und deutschen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung von grüner Fernwärme und -kälte sowie die Einführung von HKN als Instrument zum Nachweis der grünen Herkunft von thermischer Energie dar. Diskutiert werden die verschiedenen Rollen, die HKN bei der Transformation des Wärmesektors in Richtung Klimaneutralität spielen könnten. Darüber hinaus werden die wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen untersucht. Dazu gehören
- der Umgang mit Netzgrenzen von Wärme- und Kälteversorgungssystemen,
- die Behandlung von Speicher- und Netzverlusten,
- die Rolle von Wärmekund:innen im HKNR,
- die HKN-Ausstellung für die Eigenversorgung mit thermischer Energie,
- die sektorenübergreifende Nachverfolgung grüner Eigenschaften bei der Energieträgerkonversion,
- die Verifizierung von Anlagen- und Messdaten in vertikal integrierten Netzen sowie
- die Umsetzung von Wärme- und Kälte-Kennzeichnungsregeln.
Für jede dieser Fragen werden die im IW3-Pilotregister gewählten Lösungen dokumentiert, mit einem Ausblick auf Schwerpunktsetzungen, die bei einer nationalen Umsetzung von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen vorgenommen werden können.
Download IW3-Projektbericht: Herkunftsnachweise für grüne Fernwärme – rechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen
Grüne Fernwärme als wichtiger Baustein der Wärmewende
Fernwärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme kann einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten. Vor allem in verdichteten, urbanen Gebieten kommt dem Ausbau und der Dekarbonisierung von Wärmenetzen hohe Bedeutung für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu. Voraussetzung dafür ist sowohl der Ausbau von bestehenden und neuen Netzen zur Wärmeversorgung als auch die fortschreitende Dekarbonisierung von Netzen. Vor diesem Hintergrund kann die Vermarktung spezifischer grüner Fernwärmeprodukte dazu beitragen, die Refinanzierung von Investitionen in klimaneutrale Wärmeerzeugungsquellen zu erleichtern und die Wirtschaftlichkeitslücke gegenüber dem Weiterbetrieb von auf fossilen Energiequellen basierenden Anlagen zu schließen.
Für Fernwärmekund:innen ermöglicht der Bezug eines grünen Fernwärmeprodukts, bilanziell bereits heute zu 100 % aus klimaneutralen Quellen versorgt zu werden – auch wenn sich ihr Wärmenetz noch in der Transformation befindet. Ähnlich wie im Ökostrommarkt ist diese Option nicht nur für ideell motivierte Privatkund:innen relevant, sondern auch für Unternehmenskunden, die zur Umsetzung von Klimaneutralitätsstrategien auf den Einkauf klimaneutral erzeugter Energie angewiesen sind.
Ansprechpartnerin:
Marina Kemper