Fernwärme spielt in allen Energieszenarien eine bedeutende Rolle und wird mittlerweile auch politisch als Problemlöser der Wärmewende anerkannt. Das 10. Treffen des Netzwerks „Innovative und grüne Fernwärme Norddeutschland“ (IGFN) am 15. Juli 2024 widmete sich den Themen Netzausbau und Kundennachfrage in der Fernwärme.
Versorgungsunternehmen brauchen Planungssicherheit
Zum Auftakt des digitalen Treffens sprach Dr. Matthias Sandrock über den aktuellen Status von Fernwärme in der Energiepolitik. Laut BMWK-Langfristszenarien (T45) ist davon auszugehen, dass sich die Anzahl der Fernwärmeheizungen bis 2045 verdreifacht. Bis 2030 sollen rund eine Million Haushalte neu an die Fernwärme angeschlossen werden.
Versorgungsunternehmen stellt dieser Ausbau vor strategische Fragestellungen: In welchem Umfang können in den nächsten Jahren neue Wärmenetze errichtet oder bestehende erweitert werden? Wie können den Kunden attraktive Preise angeboten werden, wenn gleichzeitig der Druck auf die ökologische Qualität steigt? Auf diese und viele weitere Entscheidungen haben verschiedene Bereiche Einfluss, die sich wiederum in eigenen Transformationsprozessen befinden: Die Veränderung der Märkte und regulatorischen Anforderungen, die Digitalisierung, die Umstellung auf erneuerbare Energien und Abwärme sowie die Veränderung der Nutzensektoren, Kundenbedarfe und des Kundennutzens. Alle Teil-Transformationen sind die Folge politischer Entscheidungen – so entsteht ein „Rahmen der Unsicherheit“.
Ausbau und Investitionsbedarf – Studie „Perspektive der Fernwärme“
Um das Potenzial von Fernwärme nutzen zu können, sind umfangreiche Investitionen in technische Maßnahmen notwendig. Deren Umsetzung erfordert ebenfalls klare politische Entscheidungen. Im Gutachten „Perspektive der Fernwärme – Maßnahmenprogramm 2030: Aus- und Umbau städtischer Fernwärme als Beitrag einer sozial-ökologischen Wärmepolitik“ im Auftrag des AGFW und des VKU errechneten die prognos AG und das Hamburg Institut bereits 2020 die Bedarfe für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie den nationalen Investitions- und Förderbedarf und skizzierten regulatorische Rahmenbedingungen. Im Juli 2024 wurde ein Update der Studie veröffentlicht, welches das neue Wärmeplanungsgesetz sowie weitere Veränderungen berücksichtigt und den Betrachtungszeitraum bis 2045 erweitert. Dr.-Ing. Jens Kühne vom AGFW stellte beim Netzwerktreffen die neuen Erkenntnisse sowie das Vorgehen vor. Die Ergebnisse der aktualisierten Studie zeigen einmal mehr das große Potenzial, aber auch den Investitionsbedarf im Bereich Fernwärme. In den letzten Jahren wurde weniger investiert als nötig, gleichzeitig ist der Bedarf durch die erhöhten Baukosten immens gestiegen. Bis 2030 werden rund 43,5 Mrd. Euro benötigt. Davon 60 Prozent für den Ausbau und die Erweiterung der Wärmenetze, 40 Prozent für die Energieerzeugung. Die BEW ist bisher nicht ausreichend finanziert und benötigt bis 2030 etwa 3,5 Mrd. Euro jährlich. Die Förderung sollte neben Haushaltsmitteln auch umlagefinanziert werden, um Investitionssicherheit zu gewährleisten.
Preisgestaltung und Transformation
Als nächster Punkt stand ein Vortrag zum Thema Preisgestaltung von Annett Tast von der EVH GmbH, einem Stromversorger aus Halle (Saale), auf der Agenda. An diesen schlossen sich eine angeregte Diskussion und ein Austausch zum ersten Veranstaltungsteil an.
Nach einer kurzen Pause folgten zwei weitere Vorträge, in denen das Vorgehen zwei deutscher Großstädte beleuchtet wurde: Burkhard Warmuth von den Hamburger Energiewerken sprach über die Transformation des Hamburger Stadtnetzes und den Pfad zur klimaneutralen Wärmeversorgung. Im Anschluss berichteten Dr. Maik Günther und Dr. Herbert Koschel von den Stadtwerken München über die kommunale Wärmeplanung und deren konkrete Umsetzung in München.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es für die rund 25 Teilnehmenden erneut Raum für Diskussionen und Austausch.
Das „Netzwerk innovative und grüne Fernwärme Norddeutschland“ verbindet Versorgungsunternehmen aus dem norddeutschen Raum mit dem Ziel, Ideen und Erfahrungen zur klimaneutralen Gestaltung von Fernwärmenetzen auszutauschen und Lösungsansätze voranzutreiben. Initiiert wurde das Netzwerk vom Hamburg Institut, der AGFW unterstützt das Vorhaben als Partner.
Ansprechpartner:
Dr. Henrik Pieper