Kurzgutachten für LichtBlick (11/2021)

Die neue Stromkennzeichnung in der Praxis – Hintergründe und Auswirkungen

Wie wirkt sich die Anwendung der neu geregelten Stromkennzeichnung in der Praxis aus? Das Hamburg Institut hat dies im Auftrag der LichtBlick SE untersucht – und erhebliche Unterschiede in Bezug auf den Grünstromanteil im Unternehmensmix im Vergleich zum Vorjahr festgestellt.

Hintergrund & Aufgabe

Erstmalig sind seit dem 1. November 2021 die Stromvertriebsunternehmen verpflichtet, ihre Stromkennzeichnung auf der Basis neuer gesetzlicher Grundlagen vorzunehmen. Im Auftrag von LichtBlick hat das Hamburg Institut analysiert, wie sich die neuen Stromkennzeichnungsregeln in der Praxis auswirken.

Zu diesem Zweck wurden im November 2021 die Webseiten von 35 größeren Stromvertrieben auf ihre Angaben zur Stromkennzeichnung untersucht. Dabei wurden die im Internet seit dem 1. November 2021 zu veröffentlichenden neuen Kennzeichnungen des gesamten Stromabsatzes der Unternehmen (Unternehmensmix auf Basis der Jahres 2020) mit der Stromkennzeichnung des vergangenen Jahres (Unternehmensmix auf Basis des Jahres 2019) verglichen.

Im Vergleich der neuen mit der bisherigen Stromkennzeichnung wird deutlich, dass die neue Stromkennzeichnung erstmalig das reale Beschaffungsverhalten der Stromvertriebe unverfälscht wiedergibt, während dies zuvor nur sehr eingeschränkt der Fall war. Selbst Unternehmen, die keinerlei Strom aus erneuerbaren Energiequellen einkauft hatten, wiesen im Vorjahr einen überwiegend grünen Strommix auf. Grund hierfür war die Zuweisung der „Grünen Eigenschaft“ des Stroms aus EEG-finanzierten Anlagen entsprechend der Höhe der gezahlten EEG-Umlage. Diese umstrittene „automatische Vergrünung“ des Strommixes aller Anbieter entfällt nunmehr aufgrund der Gesetzes-Novellierung, da der Strom aus EEG-finanzierten Anlagen nicht mehr im Unternehmensmix ausgewiesen werden darf.

Erkenntnisse

Der Vergleich der neuen Stromkennzeichnungen 2021 (Basisjahr 2020) mit den Stromkennzeichnungen aus dem Vorjahr lässt deutliche Unterschiede des erneuerbaren Energien-Anteils zwischen der alten und der neuen Kennzeichnung erkennen. Der Grünstromanteil im Unternehmensmix der Vertriebe ist nach der neuen gesetzlichen Regelung um bis zu 56 Prozentpunkte niedriger als nach der alten Regel.

Die neu in Kraft getretene Änderung der Stromkennzeichnung betrifft nur den Unternehmensmix, nicht jedoch die Kennzeichnung der an Kunden gelieferten Stromprodukte (Produktmix). Im Produktmix gelten weiterhin die bisherigen Regelungen zur Stromkennzeichnung, einschließlich der Ausweisung des EEG-Anteils. Die Stromkennzeichnung des Produktmix wird sich in den kommenden Jahren immer mehr angleichen. Bereits in einigen Jahren dürften alle an Privat- und Gewerbekunden gerichteten Stromtarife allein aufgrund des steigenden Anteils EEG-finanzierter Anlagen vollständig „grün“ sein.

Die aktuell umgesetzte Reform der Stromkennzeichnung ist ein wichtiger Schritt zur gesetzgeberischen Reparatur der Stromkennzeichnung, beseitigt jedoch noch nicht alle Kritikpunkte. Es verbleibt erheblicher Handlungsbedarf, um das Potenzial des freiwilligen Ökostrommarktes zur Beförderung der Energiewende zu heben.

download und link

„Die neue Stromkennzeichnung in der Praxis – Hintergründe und Auswirkungen“ (Download Kurzgutachten)

„Neue Stromkennzeichnung zeigt: So viel Ökostrom liefern Versorger wirklich“ (Link zur Pressemitteilung von LichtBlick)