Als Teil des BMWK-geförderten Reallabors der Energiewende IW3 entwickelte das Hamburg Institut das erste Pilot-Herkunftsnachweisregister für grüne Fernwärme in Deutschland. Wärme-Herkunftsnachweise ermöglichen es, grüne Wärmemengen zu Gebäuden und Quartieren zuzuordnen. Die Vermarktung grüner Fernwärme als eigenständiges Produkt könnte zukünftig dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit von Projekten zur Fernwärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien und Abwärme zu verbessern und die Attraktivität der Fernwärme gegenüber dezentralen Versorgungsoptionen sicherzustellen.
Über das Projekt IW³
Der Name IW³ steht für „Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg“. Ziel des Projekts ist, eine klimafreundliche dezentrale Wärmeversorgung für die Wohnquartiere auf der Hamburger Elbinsel aufzubauen, die CO₂-neutral ist und perspektivisch ganz ohne fossile Energieträger auskommt.
IW³ gehört zu den „Reallaboren der Energiewende“. Mit diesem Forschungsprojekt aus dem Programm NextGenerationEU fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Umsetzung von Innovationsvorhaben im Industriemaßstab, um den Transfer von Technologien und Lösungen für die Energiewende in den Markt zu beschleunigen. Federführend wird IW3 von den Hamburger Energiewerken umgesetzt, unterstützt durch ein Konsortium aus verschiedenen Partnern, zu dem auch die Hamburg Institut Research gGmbH (HIR) gehört.
Die Kernelemente des Reallabors sind der Bau einer Geothermieanlage (IWU) sowie Forschung zur Systemintegration unterschiedlicher Wärmequellen (IWS) und zu neuartigen Handels- und Vermarktungsmechanismen für klimafreundliche Fernwärme (IWM).
Unser Teilprojekt „Grüne Fernwärme“
Im IW3-Projekt „Integrierter Wärmemarkt“ (IWM) setzte das Hamburg Institut das Teilvorhaben „Grüne Fernwärme“ um. Als Pilotvorhaben für Deutschland wurde ein Herkunftsnachweisregister für grüne Fernwärme entwickelt – mit dem Ziel, eine Zuordnung grüner Wärmemengen zu Gebäuden und Quartieren zu ermöglichen.
Aufbauend auf Erfahrungen mit dem zertifizierten Ökostrommarkt soll Erzeugern und Wärmeversorgern eine rechtssichere Vermarktung grüner Fernwärme als eigenständiges Produkt ermöglicht werden. Erlöse hieraus können die Refinanzierung neuer Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Fernwärme erleichtern und somit zusätzliche Dekarbonisierungsanreize schaffen.
Das Wärmeregister
Ende Mai 2022 ging Deutschlands erstes Herkunftsnachweis (HKN)-Register für grüne Fernwärme in Betrieb. Die Teilnahme am Pilotregister war für Wärmeversorger und Wärmeerzeuger bis zum Projektende im Juli 2024 möglich.
Die technische Umsetzung des Registers wurde in Kooperation mit Grexel realisiert. Die Ausstellung der ersten Wärme-HKN für die Hamburger Energiewerke erfolgte im August 2022.
Vorgehen
- Untersuchung der energiewirtschaftlichen, regulatorischen und technischen Grundlagen zur Einführung von Herkunftsnachweisen im Wärmemarkt
- Austausch mit Stakeholdern, um Erkenntnisse zu den Bedürfnissen verschiedener Marktteilnehmer auf Angebots- und Verbrauchsseite zu vertiefen
- Implementierung eines softwarebasierten Herkunftsnachweisregisters für grüne Fernwärme, welches eine rechtssichere Nachweisführung der grünen Eigenschaft von vermarkteten Wärmemengen ermöglicht
- Systematische Auswertung von Erfahrungen aus Nutzung und Betrieb des Registers
- Untersuchung von Innovationen in der Fernwärmevermarktung durch Herkunftsnachweise
Ergebnisse
Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen für Wärme-HKN
Der im August 2023 veröffentlichte Projektbericht stellt die europäischen und deutschen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung von grüner Fernwärme und -kälte sowie die Einführung von HKN als Instrument zum Nachweis der grünen Herkunft von thermischer Energie dar. Diskutiert werden die verschiedenen Rollen, die HKN bei der Transformation des Wärmesektors in Richtung Klimaneutralität spielen könnten. Darüber hinaus werden die wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen untersucht. Dazu gehören
- der Umgang mit Netzgrenzen von Wärme- und Kälteversorgungssystemen,
- die Behandlung von Speicher- und Netzverlusten,
- die Rolle von Wärmekund:innen im HKNR,
- die HKN-Ausstellung für die Eigenversorgung mit thermischer Energie,
- die sektorenübergreifende Nachverfolgung grüner Eigenschaften bei der Energieträgerkonversion,
- die Verifizierung von Anlagen- und Messdaten in vertikal integrierten Netzen sowie
- die Umsetzung von Wärme- und Kälte-Kennzeichnungsregeln.
Für jede dieser Fragen werden die im IW3-Pilotregister gewählten Lösungen dokumentiert, mit einem Ausblick auf Schwerpunktsetzungen, die bei einer nationalen Umsetzung von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen vorgenommen werden können.
Evaluierung des Registerbetriebs
Aus den Erfahrungen aus dem Pilotbetrieb des Registers ließen sich u.a. folgende Empfehlungen für die Umsetzung des nationalen Herkunftsnachweisregister für thermische Energie ableiten:
- Nutzung von Synergien bei Anlagenregistrierung und -verifizierung (z.B. zum Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, welches zukünftig auch auf die Wärmewirtschaft ausgeweitet wird)
- Etablierung von Schnittstellen zur Nachverfolgung von Konversionsprozessen (z.B. zum Strom-HKNR und zum künftigen Gas-HKNR sowie entsprechenden Massenbilanzsystemen für Gase)
- Möglichkeiten zur Automatisierung der Registernutzung (bspw. Einrichten von APIs zum automatisierten Datenaustausch mit Smart Metern)
Generell wurde der Nutzen des kommenden nationalen HKN-Registers für Wärme/Kälte von den Nutzenden des Registers als positiv bewertet, da mit dem Anbieten grüner Wärmeprodukte mittels HKN zur Wettbewerbsfähigkeit der leitungsgebundenen Wärmeversorgung beigetragen werden kann sowie zusätzliche Finanzströme zur Unterstützung der Dekarbonisierung realisiert werden können.
Innovationen in der Fernwärmevermarktung durch Herkunftsnachweise
Abschließend beschäftigte sich das Teilvorhaben mit der Frage, welche Innovationspotenziale sich in Bezug auf die Fernwärmevermarktung durch die Implementierung eines nationalen HKN-Registers für thermische Energie ergeben.
- Durch die Möglichkeit, grüne Energiemengen mittels HKN und entsprechender Kennzeichnung bestimmten Wärmeverbräuchen zuzuordnen, kann als Innovation im Fernwärmevertrieb eine Produktdiversifikation umgesetzt werden. Das bedeutet, es kann ein grünes Fernwärmeprodukt mit anderen Fernwärmequalitäten im Vergleich zum Basisprodukt angeboten werden.
- In Bezug auf organisatorische Innovationen lassen sich durch die Implementierung von HKN als transparentes und staatlich anerkanntes Nachweisinstrument Potenziale in der Vereinfachung der Nachweisführung im Fernwärmekontext realisieren.
- Technische Innovationen könnten sich in Bezug auf die Digitalisierung und mögliche Automatisierung von Nachweisprozessen über die Einbindung eines zentralen Registers in entsprechende Prozesse ergeben.
Ausführlich sind die Ergebnisse dieser Fragestellung im Discussion Paper „Innovationen in der Fernwärmevermarktung durch Herkunftsnachweise“ dargestellt.
Fachartikel zu Projektergebnissen
Die zentralen Erkenntnisse des Teilprojekts „Grüne Fernwärme“ sind im Fachaufsatz „Herkunftsnachweise für grüne Fernwärme: Erfahrungen aus der Umsetzung des IW3-Pilotregisters“ zusammengefasst. Dieser erschien in der Ausgabe 9/2024 des Fachmagazins EuroHeat & Power.
+++
Nähere Informationen zum IW3-Gesamtprojekt auch auf der Projekt-Website (externer Link)
Click here for English version