Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz hat sich das Hamburg Institut gemeinsam mit der Bodensee-Stiftung mit Naturschutzaspekten bei zukünftigen Regelungen zu erneuerbaren Energien im Wärme- und Kältesektor befasst. Im Rahmen des Projekts wurde untersucht, welche potenziellen Auswirkungen die Wärmewende auf die Flächennutzung hat und wie negative Folgen auf den Naturschutz vermieden werden können.
Ausgangssituation & Ziel
Der Wärmesektor macht über die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland aus, der Anteil erneuerbarer Energien für Wärme und Kälte stagniert jedoch seit Jahren. Für eine erfolgreiche Energiewende muss das Wärmesystem in Deutschland innerhalb weniger Jahrzehnte dekarbonisiert werden. Für die heute noch den Wärmemarkt dominierenden Energieträger Erdgas und Heizöl ist in einer klimaneutralen Energiewirtschaft kein Platz mehr. Damit steigt sowohl der Bedarf an erneuerbarer Wärme als auch der Druck auf die Flächennutzung, z.B. für Wärme aus Biomasse oder Solarthermie. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, welche Auswirkungen die Wärmewende auf die Flächennutzung hat und wie negative Auswirkungen auf den Naturschutz vermieden werden können.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) prüfte dies im Rahmen der umfangreichen Studie „Naturschutzaspekte bei zukünftigen Regelungen zur Wärme- und Kälteerzeugung“. Diese schafft einen Orientierungsrahmen und eine Wissensbasis, um Naturschutzbelange in die Entwicklung der künftigen Wärme- und Kälteversorgung einzubeziehen. Mit der Erstellung hat das BfN das Hamburg Institut gemeinsam mit der Bodensee-Stiftung beauftragt.
Inhalte & Empfehlungen
Die Bearbeitung dieser Studie erforderte eine interdisziplinäre und umfassende Darstellung sowie naturschutzorientierte Bewertung möglicher Pfade, um eine klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung in Deutschland zu realisieren. Es wurden relevante energiepolitische Grundlagen der Wärmeversorgung aufgearbeitet und unterschiedliche Szenarien zur Erreichung einer CO2-neutralen Wärmeversorgung analysiert. Kombiniert mit der Kenntnis der potenziellen naturschutzfachlichen Wirkungen der Technologien, die den Szenarien zu Grunde liegen, ließen sich mögliche Handlungsfelder und instrumentelle Stellschrauben im Rechts- und Förderrahmen aufzeigen. Auf dieser Basis wurden schließlich fundierte Empfehlungen für eine naturschutzkompatible Weiterentwicklung des Rechtsrahmens der Wärmewende gegeben.
Das Projekt umfasste fünf zentrale Arbeitsschritte:
- Im ersten Schritt wurde eine Übersicht der bereits existierenden Gesetze, der politischen Zielstellungen und der vorhandenen Instrumente für das Erreichen eines klimafreundlichen Wärmesystems erstellt.
- Das zweite Arbeitspaket beinhaltete eine vergleichende Meta-Analyse verschiedener Szenarien für die Wärme- und Kältebereitstellung bis ins Jahr 2050, um mögliche Entwicklungspfade für die Transformation des Wärmesektors aufzuzeigen. Die Modellierungen zeigen, dass 2050 die Wärmepumpentechnologie bei der Erzeugung von Gebäudewärme dominieren wird. Bei der Prozesswärmeerzeugung sind die Stromdirektnutzung, synthetische Gase (PtG; synthetisches Methan und Wasserstoff) sowie Biomasse die relevantesten Technologien.
- Im dritten Schritt wurden die zur Verfügung stehenden Technologien und Effizienzmaßnahmen, wie z.B. Biomasseverbrennung, Wärmepumpen und Solarthermie, im Hinblick auf ihre Wirkung auf Naturschutz und Landschaft untersucht. Aus den Ergebnissen konnten konkrete Kernaussagen abgeleitet werden, wie z.B. die generelle Bevorzugung von Wärmepumpen gegenüber PtH- und PtG-Technologien für eine möglichst effiziente strombasierte Wärmeerzeugung.
- Im vierten Arbeitspaket erfolgte schließlich die systematische Bewertung der Einflussgrößen auf die Entwicklung im Wärme- und Kältemarkt. Dabei wurden der aktuelle und zukünftige Rechtsrahmen betrachtet sowie mögliche Stellschrauben für eine naturverträgliche Entwicklung der erneuerbaren Wärmeversorgung identifiziert. Anhand von sieben Handlungsfeldern wurde beschrieben, wie zukünftige Regelungen naturschutzfachliche Aspekte berücksichtigen können. Die Handlungsfelder umfassen die quantitative und qualitative Steuerung der Biomasse-Nachfrage im Wärmesektor, die quantitative Minimierung des induzierten Flächenbedarfs, die naturschutzorientierte Flächenauswahl, den Betrieb von EE-Wärmeerzeugungsanlagen und die naturverträgliche Ausgestaltung von Effizienzmaßnahmen an Gebäuden.
- Im letzten Arbeitsschritt wurden energiepolitische Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese beinhalten konkrete und umsetzbare Vorschläge für eine Veränderung des regulatorischen Rahmens und möglicher Förderinstrumente, um naturverträglichen Wärmetechnologien einen wirtschaftlichen Marktvorteil gegenüber weniger naturverträglichen Wärmetechnologien zu verschaffen.
Insgesamt ergibt sich aus der Studie, dass die mit dem Ziel eines möglichst effizienten Energiesystems erstellten Szenarien in Bezug auf die Wärmeversorgung strukturell kompatibel mit dem Ziel einer möglichst naturverträglichen Wärmewende sind. Trotzdem verbleiben einzelne Handlungsfelder, die aus Sicht des Naturschutzes adressiert werden sollten. Zu den im Rahmen der Studie erarbeiteten Stellschrauben und Empfehlungen für eine naturschutzorientierte Wärme- und Kältepolitik gehören zum Beispiel:
- Höhere Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für Neubau und Gebäudebestand
- Eine schnellere Anhebung des CO2-Preises im Brennstoffemissionshandel
- Förderungen für Gründächer und die Nutzung biologischer Baustoffe
- Konsequente Verbesserung politischer Rahmenbedingungen für die Verdichtung und den Ausbau von Wärmenetzen
- Ausbau und Förderung von Wärmepumpen als zentrales Standbein der Wärmewende