Erfindergeist @ Hamburg institut
Für die klimafreundliche Wärmeversorgung einer Metropole eine eigene Insel schaffen? Schiffe als mobile Speicher einsetzen, um industrielle Abwärme flexibel vom Erzeuger zum Abnehmer zu transportieren? Nur zwei von vielen Ideen der Brainstormings beim Hamburg Institut.
„Rumspinnen“ ausdrücklich erwünscht
Die rund zehnjährige Geschichte des Hamburg Instituts ist auch eine Geschichte kreativer Ideen. Das „Rumspinnen“ ist bei uns eine ebenso beliebte wie willkommene Disziplin, die wir bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich fördern. Den Gedanken freien Lauf zu lassen, hat im weiteren Prozess schon oft zu handfesten und überaus praxistauglichen Lösungen geführt – manche davon sind heute gesetzlich verankert oder als Technologie im Einsatz. Andere befinden sich im Konzept- und Umsetzungsstadium oder warten noch geduldig auf ihren großen Durchbruch.
Challenge accepted: Helsinki Lagoon
Wie können wir die Wärmeversorgung in Helsinki dekarbonisieren und dabei so wenig Biomasse wie möglich verwenden? Für die beste Antwort auf diese Frage setzte die finnische Hauptstadt im Rahmen eines globalen Wettbewerbs 2020 eine Million Euro aus.
Wir haben die Herausforderung mit einem interdisziplinären Team angenommen und sind mit unserer „Helsinki Lagoon“ ins Rennen gegangen. Von der Jury gab es dafür viel Lob und eine hohe Punktzahl. Und auch wenn wir am Ende nicht als Millionäre aus der Helsinki Energy Challenge hervorgegangen sind – von unserer Idee einer multifunktionalen und -technologischen Wärmeinsel sind wir nach wie vor überzeugt. Unser Konzept besteht darin, die natürlichen Gegebenheiten des Standorts optimal zu nutzen und den unzähligen Inseln rund um Helsinki eine ganz besondere hinzuzufügen.
Das Konzept: Wärmespeicherung für maximale Flexibilität
Helsinki Lagoon ist eine künstlich angelegte Insel wenige Kilometer vor der Stadt – mit einem riesigen saisonalen Meerwasser-Wärmespeicher als Kern. Solarthermische Kollektoren bedecken den Speicher, der auf isolierenden schwimmenden Kunststoffpontons montiert ist. Auf dem Festland dienen unter anderem Power-to-Heat-Anlagen als Spitzenerzeuger. In den Speicher können künftig weitere Wärmequellen integriert werden, z. B. überschüssige Wärme aus der Industrie oder aus tiefengeothermischen Quellen.
Raum für Stadtentwicklung
Eine reine Energieinsel also? Helsinki Lagoon ist mehr als das. Die Insel bietet Raumgewinn in einer wachsenden Stadt. Außerdem refinanziert sie einen Teil der Kosten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Freizeitaktivitäten, Strandhäuser, Boote, Büros mit bester Aussicht, Gastronomie, Wohnraum in bester Lage – die Möglichkeiten der Stadtentwicklung sind vielfältig.
Mobiler Speicher: Wärmetransport per Schiff
Unsere Idee der Wärmeschiffe geht schon auf das Jahr 2015 zurück – hat aber nichts an Aktualität verloren. Schon damals sahen wir den Bedarf nach alternativen Möglichkeiten, um industrielle Abwärme in der Fernwärmeversorgung zu nutzen. Unser Lösungsansatz: Der Transport der Wärme in Form von Heißwasser erfolgt über mobile Einheiten statt über fest installierte Rohrleitungen – und auf dem Wasser statt auf der Straße. Hierfür werden alte ausgediente Schuten umgebaut und erhalten ein zweites Leben als mobiler Wärmespeicher und -transporter.
Das Hamburg Institut hält für diese Erfindung ein europäisches Patent.
Bei der Entwicklung hatten wir natürlich die Elbe direkt vor unserer Tür im Blick: Rund um den Hamburger Hafen sind sowohl zahlreiche Wärmeanbieter als auch mögliche Abnehmer und Einspeisepunkte in Fernwärmenetze angesiedelt. Das Konzept ist aber praktisch für alle Hafenstädte mit Fernwärmenetz interessant.
Der mobile Schiff-Speicher hat gleich mehrere Vorteile: Das flexible System lässt sich an dynamische Wärmequellen bzw. Wärmesenken anpassen, es ist günstiger als eine Pipeline und im Gegensatz zum Dükerbau sind keine aufwändigen Genehmigungsverfahren nötig. Zudem überzeugt die gute Umweltbilanz.
Sie finden die Idee spannend und haben Interesse an einem Pilotprojekt? Dr. Matthias Sandrock freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Solare Nachbarschafts-Gewächshäuser
Ein Konzept mit vielen Funktionen: Die vom Hamburg Institut entwickelte Idee der solaren Nachbarschafts-Gewächshäuser ist mehr als nur eine Möglichkeit, um der weiteren Errichtung solarthermischer Anlagen den Weg zu ebnen. Das Konzept zielt auch auf den Aufbau sozialer wie ökologischer Infrastrukturen: Nachhaltige, kostengünstige und gemeinschaftliche Selbstversorgung mit frischen Lebensmitteln („Urban Gardening“) wird mit neuen Technologien zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien zusammengeführt.
Die Solarkollektoren werden bautechnisch mit eigens dafür konstruierten Gewächshäusern verknüpft. Neben der solarthermisch erzeugten Wärme bietet das Konzept einen weiteren Mehrwert, indem Nachbarschaften zur nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion aktiviert werden und der gesellschaftliche Zusammenhalt in urbanen Räumen gestärkt wird. Treibhausgasemissionen werden also nicht nur bei der Energie-, sondern auch bei der Lebensmittelproduktion eingespart.